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Heute haben umweltbewusste Konsumenten
die Wahl, welchen Strom sie beziehen wollen und sie sind auch bereit,
einen deutlich höheren
Preis zu bezahlen. Seit 1992 ist die Qualität der Strom-produktion
aus Wasserkraft ein Thema. Leider versuchen die Kraftwerksbesitzer
auf politischem Weg die vorgeschriebene Restwassermenge zu senken.
Als Vorwand dient ausgerechnet der Klimaschutz: Durch die Umsetzung
der Restwasserbestim-mungen sei ein Produktionsrückgang von
2% zu erwarten. Dadurch müsste mehr CO2-verursachender
thermischer Strom aus dem europäischen Ausland importiert werden.
Tatsächlich aber resultierte in den vergangenen 10 Jahren
trotz der neuen Restwasserbestimmung dank technischer Verbesserungen
eine
Produktionssteigerung von 6%. |
Klimaschädlicher Stromhandel
Seit Jahren wird nachts in grossen Mengen Überschussstrom
aus dem europäischen Ausland importiert. Dieser Strom stammt
teilweise aus Kohle-, Öl- oder Gaskraftwerken, die als CO2-Schleudern
bekannt sind. Zu Spitzenverbrauchszeiten über Mittag wird der
Strom aus dem Ausland mit bis zu viermal höheren Preisen wieder
exportiert. Dadurch ist der CO2-Gehalt im
Schweizer Strom zwischen 1990 und 1998 von 4,1 Mio. auf 5,2 Mio.
Tonnen gestiegen. Damit lässt der Schweizer Strom doppelt so
viel CO2 auf das Klima los wie der gesamte
Lastwagen- und Busverkehr. Seither hat sich die CO2-Belastung
durch die Schweizer Steckdosen weiter erhöht, denn der Verbrauch
von Strom aus Pumpspeicherwerken hat sich seit 1998 verdoppelt. |
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Kurt Gnehm (nach «Pro Natura»,
2/2005)
Sunk- und Schwall
Viele Flüsse und Bäche machen jeden Tag unfreiwillig Flut
und Ebbe mit. Das gilt
auch für den Alpenrhein: Wo er frühmorgens ruhig daherzieht, verwandelt er
sich gegen Mittag in einen reissenden Strom. Und Flächen, die tagsüber unter
Wasser stehen, fallen nachts trocken.
150 bis 180 m³/s war in den letzten Jahren
die Abflussspitze bei Domat/Ems (GR) an einem durchschnittlichen Wintertag.
In der Nacht waren es bloss 20 bis 30 m³/s.
«Schwall» und «Sunk» heisst dieses Phänomen. Und es ist
eine Folge der Wasserkraftnutzung im grossen Stil. Bei Spitzenbedarf
wird möglichst viel Wasser durch die Turbinen
und danach in den Rhein geleitet. Das ist in der Regel zu den Mittagsstunden.
Nachts ruht die Elektrizitätsproduktion, der Zufluss versiegt.
Fliessgewässer
sind dynamisch. Selbst an episodische Hochwasser, bei denen kein Stein auf
dem andern bleibt, hat sich die Lebensgemeinschaft angepasst. Doch
mit dem hektischen Auf und Ab im Einflussbereich der Speicherkraftwerke
kommt kaum ein Flussbewohner zurecht - zumal das Pendel im Winter, wenn
natürlicherweise
eher konstante Bedingungen bei niedrigem Wasserstand herrschen würden, besonders
weit ausschlägt.
Die mit der Wasserkraftnutzung verbundenen Wasserstandsschwankungen
schaden Laich und Brut der Bachforelle. Starke Schwalle verfrachten einen
Teil der
Fischbrut
und der wirbellosen Kleintiere bachab. Hinzu kommt, dass jeder Schwall eine
Fracht Feinmaterial in das Sediment einträgt. Die Hohlräume im Flussbett
werden verstopft. Lebensnischen gehen verloren, die Fischbrut erstickt. Im
Alpenrhein
haben die
Forelleneier deswegen nur noch an wenigen Stellen Chancen, sich überhaupt
zu entwickeln.
Im Sunk fällt ein Teil des Flussbetts wieder trocken.
Wassertiere, die sich nicht rasch genug in die Tiefe retten können,
gehen ein.
Das Problem hat sich in letzter Zeit in einigen Gebieten
massiv verschärft.
Der Stromverbrauch Europas schwankt im Tagesverlauf massiv, und mit ihm
der Preis. Zu Spitzenzeiten wird für eine Kilowattstunde drei-
bis viermal mehr bezahlt als bei minimaler Nachfrage. Ist der Preis oben,
laufen alle Turbinen auf Hochtouren. Nachts ruhen sie. Dafür wird
jetzt mit überschüssigem und entsprechend billigem Kohle- oder
Atomstrom Wasser aus tiefer gelegenen Gewässern oder Stauseen in
höher gelegene Speicherseen gepumpt.
Was lässt sich tun, um die ökologischen Auswirklungen des Schwallbetriebs
zu mildern? Den Schaden begrenzen würde es, wenn der Abfluss bei
Schwall weniger abrupt ansteigt und bei Sunk auch gemächlicher
wieder sinkt. Das kann durch langsameres Hoch- und Zurückfahren
der Turbinen geschehen. Oder durch bauliche Massnahmen: Im Kraftwerk
Linthal GL fliesst das Betriebswasser zuerst in ein Ausgleichsbecken
und danach verzögert in die Linth.
In der Regel ertragen naturnah strukturierte Gewässer den Schwallbetrieb
besser. Gewässerrenaturierungen wirken somit auch in Bezug auf
diesen Eingriff positiv.
Die Initiative «Lebendiges Wasser» verlangt, dass jeder Kanton
einen Renaturierungsfonds äufnet, aus dem Sanierungen finanziert
und allenfalls auch Kraftwerkbetriebe entschädigt werden können.
So wie dies der Kanton Bern 1997 getan hat. Damals wurde ein Volksvorschlag
von Pro Natura und den Fischern vom Stimmvolk deutlich angenommen:
Ein festgelegter Teil der Wasserzinsen fliesst seither in einen Fonds,
mit
dem ökologische Aufwertungsmassnahmen finanziert werden. Rund
drei Millionen Franken sind es jährlich.
nach Hansjakob Baumgartner (in «Pro
Natura», 2/2005)
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